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Wer haftet bei Mängeln auf dem Bau? - Beispiele aus der Praxis

Anhand von zwei Rechtsfällen aus der Rechtsprechung soll die Mängelhaftung aufgezeigt werden.

Bewusste Abweichung vom Leistungsverzeichnis stellt einen Mangel dar

Der erste Fall geht auf das Urteil des OLG Düsseldorf vom 26.04.2016 - 21 U 145/13 zurück.

Hier ging es darum, dass der Auftraggeber vom beklagten Auftragnehmer Schadensersatz wegen heruntergefallener Deckenplatten in einer Produktionshalle verlangte. Die VOB/B (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen) war Grundlage zwischen den Parteien.

Die Ausführung erfolgte im Jahr 2001. Die Abnahme erfolgte ebenfalls 2001. In den Jahren 2003, 2005 und 2007 kam es zu einzelnen Deckenplattenablösungen. Der Auftragnehmer besserte dies nach.

Im Jahr 2011, also zehn Jahre nach der Abnahme, löste sich ein größerer Teil der Abhangdecke und fiel herunter. Der gerichtlich bestellte Gutachter stellte schwere Befestigungsmängel fest und kam auf Mängelbeseitigungskosten von 111.000,00 €.

Der Auftragnehmer wendet gegen den Schadensersatzanspruch Verjährung ein. Er verliert in erster Instanz. Das OLG Düsseldorf weist seine Berufung zurück und bestätigt das Ergebnis der Vorinstanz.

Das OLG Düsseldorf kommt zu dem Ergebnis, dass die Ansprüche nicht verjährt sind, da die Verjährungsfrist nach VOB/B nicht gilt, wenn der Leistungsmangel vom Werkunternehmer arglistig verschwiegen wurde.

Arglistiges Handeln lässt Ansprüche nicht verjähren

Das ist der Fall, wenn er den Mangel oder die für den Mangel ursächlich vertragswidrige Ausführung der Werkleistung kennt und treuwidrig vor oder bei Abnahme nicht offenbart.

Arglist kann dann vorliegen, wenn der Werkunternehmer bewusst von den für die Ausführung wesentlichen Vorgaben des Bestellers abweicht. Das war hier der Fall. Denn hier ist die explizit im Leistungsverzeichnis vereinbarte komplette Nachverschraubung der vorhandenen Lattung gänzlich unterblieben.

Tipp: Deshalb muss jedem Auftragnehmer klar sein, dass eine bewusste Abweichung vom Leistungsverzeichnis einen Mangel darstellt, der zu einem arglistigen Verschweigen führt, was insbesondere wiederum auf die Verjährungsfrist durchschlägt.

Mithin sollte der Auftragnehmer das Leistungsverzeichnis im Blick haben. Jedoch nicht nur dieses, da er nach dem Werkvertragsrecht eine dauerhaft funktionierende Leistung schuldet und es durch die Abweichung vom Leistungsverzeichnis zu einer Haftungsverlängerung kommen kann.

Zustimmung des Auftraggebers bei Abweichung vom Leistungsverzeichnis erforderlich

In der Baupraxis zeigt sich häufig, dass zwischen dem Bauleiter des Auftraggebers oder dem Architekten des Auftraggebers und dem Auftragnehmer einfach eine Abweichung vom Leistungsverzeichnis besprochen und dann auch durch den Auftragnehmer umgesetzt wird. Hier ist absolute Vorsicht geboten, da jede Abweichung vom Leistungsverzeichnis einen Mangel darstellt, auf den sich der Auftraggeber berufen kann.

Tipp: Jede Abweichung vom Leistungsverzeichnis sollte schriftlich durch den Auftraggeber, also durch den Vertragspartner, bestätigt werden. Nur dann ist es rechtlich eine vereinbarte Vertragsänderung. Rechtlich reichen solche Aussagen durch einen Bauleiter oder Architekten keinesfalls aus, auch wenn sie schriftlich verfasst wurden. Nur der Auftraggeber kann solchen Vertragsänderungen zustimmen. Auf mündliche Vertragsänderungen seitens des Auftraggebers sollte sich der Auftragnehmer auf keinen Fall einlassen, da ansonsten das Risiko der Mängelhaftung weiter besteht.

Vereinbarung über Ausführung entgegen der anerkannten Regeln der Technik möglich?

Der zweite Fall ist ebenfalls durch das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 16.06.2017 – 22 U 14/17 entschieden worden.

Das Gericht musste sich mit der Frage beschäftigen, ob eine Ausführung entgegen der anerkannten Regeln der Technik ausdrücklich vereinbart werden kann.

Es ging um Mängel an einer unzureichend belastbaren System-Dämmplatte in einer Doppelgarage.

Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat festgestellt, dass die verwendete System-Dämmplatte wegen zu geringer Belastbarkeit für eine Doppelgarage nicht geeignet ist. Grundsätzlich liegt bereits dann ein Mangel vor, wenn die Bodenplatte für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Nutzung, also die Befahrbarkeit mit Fahrzeugen, nicht geeignet ist.

Fraglich ist, ob eine solche Vereinbarung über eine Ausführung entgegen den nicht anerkannten Regeln der Technik überhaupt getroffen werden kann. Grundsätzlich steht es im Rahmen der Vertragsfreiheit den Werkvertragsparteien frei, auch eine Konstruktion bzw. Bauausführung zu vereinbaren, die von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweicht.

Jedoch ist zu bedenken, dass der Auftragnehmer auch ohne ausdrückliche Erklärung grundsätzlich dem Auftraggeber die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zusichert. Wenn er von diesen allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichen will, so ist er rechtlich verpflichtet, auf das mit der Nichteinhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik verbundene Risiko hinzuweisen.

Ein bewusster Risikohinweis sowie eine Risikoübernahme sind unentbehrlich

Zusätzliche Voraussetzung ist, dass der Auftraggeber ausdrücklich zustimmt, dieses Risiko rechtsgeschäftlich zu übernehmen. Dies muss sich aus eindeutigen Erklärungen entnehmen lassen. Deshalb muss aus einem derartigen Schreiben hervorgehen, dass eine entsprechende Aufklärung mit allen Folgen erfolgt ist und der Auftraggeber zustimmt, dass der Auftragnehmer seine Werkleistung abweichend von den allgemein anerkannten Regeln der Technik ausführt und der Auftraggeber dieses Risiko übernimmt.

Die Rechtsprechung hat hierfür hohe Hürden gesetzt. Das ist schwer zu realisieren, insbesondere wenn ein Verbraucher als Auftraggeber auf der anderen Seite steht.

Tipp: Ein Auftragnehmer sollte sich auf eine solche Abweichung von den Regeln der Technik am besten niemals einlassen. Meistens geht es den Auftraggebern nur darum Kosten einzusparen und eine billigere Lösung zu favorisieren. Das kann nur nach hinten losgehen. Der Handwerker lässt sich darauf ein, um dem Bauherrn einen Gefallen zu tun. Die Praxis zeigt, dass der Auftraggeber jedoch meist unerbittlich zurückschlägt und sich auf einen Mangel beruft und auch noch vor Gericht Recht bekommt. Dann hilft auch nicht das Argument, dass man im Kosteninteresse des Auftraggebers gehandelt hat und doch Jedermann von vornherein klar gewesen sein muss, dass dies keine dauerhafte Lösung darstellen kann. Diesen Werkerfolg einer dauerhaft funktionellen Leistung schuldet man als Auftragnehmer jedoch.

Daher sollte man bedenken, dass ein Gefallen am Bau für den Auftragnehmer immer gefährlich ist!