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Hilfsmittel

Seit dem 1. April 2009 hat § 128 SGB V (Sozialgesetzbuch V) eine völlig neue Fassung.  Am 1. August desselben Jahres wurden die Regelungen des § 128 SGB V mit der Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) ein weiteres Mal ergänzt.

In der Vergangenheit verschafften sich Leistungserbringer oft - und so sieht es der Gesetzgeber: ungerechtfertigte - Wettbewerbsvorteile. Unzulässige Zuwendungen von Leistungserbringern (Hörgeräteakustikern, Orthopädieschuhmachern, Sanitätshäusern oder Vertriebsunternehmen für Hilfsmittel) füllten die Depots der Ärzte; diese gaben genau diese Hilfsmittel an die Patienten weiter - deren Wahlrecht damit faktisch eingeschränkt wurde. Und mit den Krankenkassen konnte stets derselbe Leistungserbringer abrechnen.

Die geänderte Vorschrift verbietet im Grundsatz die Versorgung mit Hilfsmitteln über Depots.

Damit bewirkt sie eine erhebliche Einschränkung der damals üblichen, engen Zusammenarbeit zwischen den Leistungserbringern und Vertragsärzten. Ob der Vertragsarzt (beziehungsweise die Klinik oder das Krankenhaus) dabei von dem Anbieter der Hilfsmittel bezahlt wird oder nicht, spielt für das Depotverbot keine Rolle. Es gilt also: Auch wenn ein Vertragsarzt für die Haltung eines Depots von Hilfsmitteln keinen Cent erhält - Depothaltung ist trotzdem (bis auf wenige Ausnahmefälle) untersagt - und sogar mit Sanktionen belegt.

Eine genauere Ausgestaltung zu den Ausnahmen findet sich im Gesetz nicht. Allerdings gilt das Depotverbot für Hilfsmittel nicht bei

  • Produkten/Mustern;

  • Einführungen und Schulungen;

  • Notfällen.

Alle Materialien, Instrumente und Gegenstände, die direkt der ärztlichen Behandlung dienen, fallen nicht unter das Depotverbot.

Die Abrechnungsfähigkeit dieser Leistungen und der ärztlichen Behandlungsmaßnahmen bestimmt sich nach den im EBM festgelegten Gebühren. Die hier eingesetzten Gegenstände fallen schon von vornherein nicht unter den Begriff der Hilfsmittel im Sinne der Norm.

Die Ausnahme für bei Schulungen und Einführungen (oder zum Zweck von Diagnosen) eingesetzte Mittel bezieht sich nur auf solche, die in der Praxis des Arztes oder medizinischen Einrichtung erfolgen; sie müssen auch dort verbleiben. Ein weiterer Einsatz des Hilfsmittels durch den Versicherten im häuslichen Umfeld ist ausgeschlossen. Der Verbleib der eingesetzten Hilfsmittel in der Arztpraxis soll absichern, dass nur kleine Bestände in Depots vorhanden sind. Damit werden für die Krankenkassen wettbewerbsbehindernde Praktiken der Abgabe von Hilfsmitteln an Versicherte unmöglich gemacht. Die Größe zulässiger Depots wird sich im Einzelfall unter anderem nach der Praxisgröße bestimmen lassen. So wird eine Orthopädie oder Chirurgie einen naturgemäß höheren Bedarf haben als eine allgemein ausgerichtete Arztpraxis.

Welche Produkte fallen unter den Ausnahmetatbestand der Notversorgung?

Hier hat der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen einige Vorgaben gemacht, an denen man sich orientieren sollte. Daneben gibt es auch in der Rechtsprechung Urteile, die versuchen diesen Begriff näher zu definieren, um den Beteiligten eine weitgehende Rechtssicherheit in Bezug auf das von ihnen erwartete Verhalten zu bieten.

Von einer Versorgung mit Hilfsmitteln im Notfall ist demnach auszugehen, wenn

  • eine umgehende Versorgung notwendig und die Versorgung nicht vorher planbar ist;

  • eine Beschaffung durch den Versicherten nicht zumutbar ist und der Versicherte nach der Versorgung wieder sein Zuhause aufsucht.

Dazu gilt im Einzelnen: Die Notwendigkeit einer umgehenden Hilfsmittelversorgung muss mit einem akuten, plötzlichen Ereignis im Zusammenhang stehen und medizinisch notwendig sein (siehe dazu auch § 33 SGB V). Auch darf keine „Planbarkeit“ der Hilfsmittelversorgung bestehen in dem Sinne, dass vorher das Eintreten des Ereignisses absehbar ist. Das Kriterium der Unzumutbarkeit einer Beschaffung durch den Versicherten selbst ist dann erfüllt, wenn dieser sich nicht mit der Eile, die im konkreten Fall geboten ist, bei einem anderen Leistungsträger das Hilfsmittel selbst beschaffen kann.

Absatz 3 der Vorschrift sichert das Depotverbot mit Sanktionen ab.

„Geeignete Maßnahmen“ sollen Vertragsärzte bei eventuellen Verstößen auf die Geltung der Norm hinweisen. Folgende Sanktionen kommen dabei in Betracht:

  • Verwarnung;

  • Verweis;

  • Geldbuße.

Wenn die Verstöße ein schweres Ausmaß erreichen oder einzelne Beteiligte wiederholt auffällig werden, können diese laut Absatz 3 von der Versichertenversorgung für die Dauer von bis zu zwei Jahren ausgeschlossen werden.

Praktisch droht dann also ein Berufsverbot.

Unter Juristen umstritten ist, ob die Vorschrift über das Verbot von Depots eine Verbotsnorm ist, die unter §§ 3, 8 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) fällt. Bejaht man diese Frage, würde beim Anlegen unzulässiger Hilfsmitteldepots ein Wettbewerbsverstoß vorliegen, der einen Unterlassungsanspruch im Sinne des UWG zur Folge hätte. Damit nicht genug: Neben den genannten Sanktionsmöglichkeiten sind auch Freiheits- und Geldstrafen nach dem Strafgesetzbuch denkbar (zum Beispiel aufgrund des Bestechungs-Paragrafen). Sanktionsmöglichkeiten aus dem jeweils einschlägigem Berufsrecht und das Wettbewerbsrecht ergänzen die Möglichkeit der Ahndung von Verstößen. Für alle Beteiligten hatte die Neuregelung zur Folge, die bis dahin geübte Praxis zu überdenken und in der Regel zu ändern.