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Erbschaft- und Schenkungsteuer - was sollte man als Unternehmer jetzt tun?

Mit Urteil vom 17.12.2014 hat das Bundesverfassungsgericht das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz in seiner geltenden Fassung in zentralen Punkten für verfassungswidrig erklärt.

Die Entscheidung sollte unter allen Unternehmern Beachtung finden, denn die umfangreichen Möglichkeiten, Betriebe nebst erheblichem, eigentlich nicht begünstigtem Verwaltungsvemögen (nahezu) vollständig erbschaft- bzw. schenkungsteuerfrei zu übertragen, müssen empfindlich eingeschränkt werden. Die Vorgabe an den Gesetzgeber lautet, die bis zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich fortgeltenden Privilegierungen bis zum 30.06.2016 verfassungskonform zu beschneiden oder das Gesetz vollständig neu zu regeln.

Wer muss sich also nun Gedanken machen?

Gedanken machen müssen sich in erster Linie Unternehmer, bei denen in nächster Zeit eine Übertragung ihres Unternehmens ansteht, sei es durch zu erwartenden Erbfall oder vorab durch Schenkung. Der Bundesverband der deutschen Wirtschaft (BDI) schätzt, dass in den nächsten vier Jahren 135.000 Unternehmen mit rund 2 Millionen Beschäftigten aufgrund Generationenwechsels vor der Übergabe stehen. Eine beträchtliche Zahl.

Doch müssen sich nun alle diese Unternehmer Gedanken machen?

Grundsätzlich ja. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass die grundsätzliche Intention des Gesetzgebers, den Übergang betrieblichen Vermögens erbschaftsteuerlich zu begünstigen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Als wirklich begünstigungswürdig erschien den Karlsruher Richtern jedoch grundsätzlich nur das produktive (!) Vermögen vor allem kleiner und mittlerer Familienunternehmen zur Sicherung ihres Bestands und vor allem zur Erhaltung der mit ihnen verbundenen Arbeitsplätze. Die darüber hinausgehenden Verschonungsregeln befand das Gericht hingegen als unverhältnismäßig.

Zunächst einmal wurde die Privilegierung größerer Unternehmen ohne jede Bedürfnisprüfung beanstandet. Dies betrifft jedoch tendenziell nur Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten oder über 50 Millionen Euro Jahresumsatz. Dies bedeutet aber nicht, dass sich kleine und mittlere Unternehmen nun entspannt zurücklehnen könnten, denn auch die nähere Ausgestaltung der Verschonungsregeln hielt der verfassungsgerichtlichen Kontrolle nicht stand. Insbesondere schienen den Verfassungsrichtern die umfangreichen Möglichkeiten, große Teile eigentlich nicht betrieblich genutzter Objekte steuerfrei mit dem Unternehmen zu übertragen, ein Dorn im Auge gewesen zu sein.  

Nach dem bisher noch geltenden Recht können mit dem Unternehmensübergang bis zu 50 % sog. Verwaltungsvermögensanteile steuerfrei mitübertragen werden. Dies sind beispielsweise vermietete oder verpachtete Grundstücke, bestimmte Gesellschaftsanteile, Wertpapiere, sowie Forderungen – namentlich aus Lieferungen und Leistungen – und Guthaben auf Bankkonten des Unternehmens. Dies wird in Zukunft so nicht mehr möglich sein, denn vor allem die durchaus verbreitete Praxis, im Vorfeld der Übertragung möglichst viel Privatvermögen in das Verwaltungsvermögen des Unternehmens zu verschieben, stieß den Verfassungsrichtern sauer auf.Darüber hinaus gibt es noch eine weitere wichtige Vorgabe, die mehr als 90 % aller Unternehmen in Deutschland betreffen könnte.

Nach der Überzeugung der Richter überschreitet der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum, indem er Betriebe mit weniger als 20 Arbeitnehmern von der Einhaltung der Mindestlohnsumme freistellt.

Hintergrund ist, dass die Einhaltung der Mindestlohnsumme eine wesentliche Bedingung für die Erlangung des Verschonungsabschlags ist, da sie die Erhaltung der Arbeitsplätze in den betreffenden Unternehmen absichern soll. Erst wenn die aufaddierten jährlichen Lohnsummen nach 5 (bzw. 7 Jahren bei Vollverschonung) mindestens das Vier- (bzw. das Sieben-) fache der Ausgangslohnsumme bei Übergang des Unternehmens erreichen, greift der Verschonungsabschlag von 85 bzw. 100 % bei der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer.

Betriebe mit unter 20 Arbeitnehmern sind bisher von diesen Vorgaben freigestellt. Dies wird sich nun ändern.

Die deutliche Vorgabe aus Karlsruhe lautet: „Sofern der Gesetzgeber (…) im Grundsatz an dem gegenwärtigen Verschonungskonzept (…) festhält, wird er die Freistellung von der Lohnsummenpflicht auf Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigten begrenzen müssen.“

Aber was sollte man als Unternehmer jetzt tun?

Das Wichtigste ist, sich Gedanken zu machen, ob ein Übergang des eigenen Unternehmens in den nächsten Jahren anstehen könnte. Sollte dies der Fall sein, z.B. um durch eine vorweggenommene Erbfolge die Erbschaftsteuer zu reduzieren, sollte man sich unbedingt zeitnah fachkundig und individuell beraten lassen, um alle Eventualitäten bedenken und alle Optionen abwägen zu können. Denn es geht nicht nur um das „Ob“ einer Regelung, sondern auch um das „Wie“. Dies liegt vor allem an folgendem folgenschweren Satz am Ende der Urteilsbegründung:

„ (…) Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Anordnung der Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen keinen Vertrauensschutz gegen eine auf den Zeitpunkt der Verkündung dieses Urteils bezogene rückwirkende Neuregelung begründet, die einer exzessiven Ausnutzung gerade der als gleichheitswidrig befundenen Ausgestaltungen der §§ 13a und 13b ErbStG die Anerkennung versagt.“

Zusammengefasst bedeutet dies, dass die bisherige Rechtslage zwar grundsätzlich bis zur Neugestaltung durch den Gesetzgeber fortbesteht, jedoch nicht uneingeschränkt. Dies birgt erhebliche Rechtsunsicherheit, denn zum einen könnte es zu einer rückwirkenden Neuregelung kommen, zum anderen werden die Ansichten der Finanzverwaltungen, Gerichte und der Steuerpflichtigen und ihrer Berater, welche Regelungen unter „exzessive Ausnutzung“ des noch geltenden Rechts fallen, weit auseinander gehen.

Der pauschale Rat einiger Stimmen, bis zur Neuregelung nichts zu unternehmen, kann gefährlich sein, denn eines ist so gut wie sicher, günstiger wird es nicht….