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Hochbegabte

  1. Aufwendungen für den Besuch einer Schule für Hochbegabte können als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein, wenn der Schulbesuch medizinisch angezeigt war.

  2. Die erforderlichen Feststellungen hat das Finanzgericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu treffen. An dem Erfordernis einer vorherigen amts- oder vertrauensärztlichen Begutachtung zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Maßnahme, die auch zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) gehören könnte, hält der sechste Senat des Bundesfinanzhofs nicht länger fest.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass Aufwendungen für den Schulbesuch eines hochbegabten Kindes als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein können, wenn der Schulbesuch medizinisch angezeigt ist.

Nach § 33 Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Hierzu gehören insbesondere Krankheitskosten und zwar auch dann, wenn sie der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen, unter der ein unterhaltsberechtigtes minderjähriges Kind des Steuerpflichtigen leidet.

Im Streitfall wechselte der Sohn der Kläger, bei dem ein Intelligenzquotient von 133 festgestellt worden war, von der zweiten in die vierte Grundschulklasse. Anschließend besuchte er ein Gymnasium.

Aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten empfahl sowohl der Allgemeine Sozialdienst als auch die Hausärztin des Kindes den Besuch einer Hochbegabtenschule in Schottland.

Da eine solche Schule für die Altersgruppe, in der sich das Kind in den Streitjahren befand, in Deutschland nicht verfügbar war, sei die Unterbringung in Schottland therapeutisch notwendig, um der Fehlentwicklung des Kindes entgegen zu wirken und eine bleibende seelische und soziale Schädigung zu verhindern. Ein nachträglich hinzugezogener Amtsarzt bestätigte diese Diagnose.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2001 und 2002 machten die Kläger Schul- und Internatskosten in Höhe von 51.616 DM (2001) und in Höhe von 23.457 Euro (2002) erfolglos als außergewöhnliche Belastungen geltend, weil die medizinische Notwendigkeit der Internatsunterbringung des Kindes nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen worden war.

Auf die Revision der Kläger hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen. Da der Nachweis einer Krankheit und der medizinischen Indikation der Behandlung nach der neuen BFH-Rechtsprechung nicht mehr zwingend durch ein vor Beginn der Behandlung eingeholtes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten beziehungsweise Attest eines öffentlich-rechtlichen Trägers geführt werden muss, vielmehr auch noch später und durch alle geeigneten Beweismittel geführt werden kann, wird das Finanzgericht nun zu prüfen haben, ob der Besuch der schottischen Schule wegen der Hochbegabung des Kindes medizinisch angezeigt war. In einem solchen Fall können die geltend gemachten Kosten unmittelbare Krankheitskosten sein. Dies gilt dann auch für Kosten einer auswärtigen der Krankheit geschuldeten Internatsunterbringung, selbst wenn diese zugleich der schulischen Ausbildung dient.